Co-Chief Karsten’s German Weekly Letter 2

(Blog posted for Co-Chief Scientist Karsten Gohl)

IODP Expedition 379 ins Amundsenmeer (Westantarktis) mit dem Forschungsbohrschiff JOIDES Resolution

Wochenbrief Nr. 2        28.1. bis 3.2.2019

Die Weiterfahrt durch den südöstlichsten Pazifik und das Bellingshausenmeer verlief glücklicherweise recht harmlos. Wir konnten die starken Tiefdruckgebiete umfahren und sind in den letzten Tagen sogar von angenehmen Rückenwinden „angeschoben“ worden. Am 30.1. erreichten wir bei ungewöhnlich ruhiger See („Ententeich“) die erste Bohrstation bei 68°36,7’ S und 107°31,5’ W. Permanent verfolgen wir die Eissituation im Gebiet der geplanten Bohrstationen, wobei die Satellitendaten, die wir fast täglich von dem DLR in Oberpfaffenhofen und der Universität Bremen geschickt bekommen, eine sehr große Hilfe sind. Noch haben wir nicht die Zeit des Meereisminimums erreicht, und der Kontinentalschelf des Amundsenmeeres ist größtenteils noch mit Eis bedeckt. Zum Glück haben wir im Forschungsantrag für diese Bohrexpedition insgesamt 26 mögliche Bohrstationen anhand unserer zahlreichen seismischen Vermessungsdaten ausgewählt. Die meisten dieser Seismikdaten hatten wir vom AWI aus mit der Polarstern in den letzten Jahre gesammelt. Weitere Daten kamen von anderen Instituten aus den USA und Großbritannien hinzu. An nur 4-5 Stationen werden wir in den 6 Wochen hier im Gebiet bohren können, aber die große Auswahl erlaubt uns viele Möglichkeiten, auf die Eisbedingungen zu reagieren. Drei Stationen kommen im Laufe unserer Anreise als erste in Betracht. Wir entscheiden uns für die Station ASRE-8A (Name im IODP-Antrag) auf einer Sedimentdrift in 4000 m Wassertiefe, denn hier ist das Meereis weit entfernt, und Driftsedimente versprechen Bohrkerne von hoher zeitlicher Auflösung, aber dazu später.

Die Bohrtechniker auf dem Drill Floor bereiten die erste Bohrung vor (Foto: Tim Fulton).

Nach einer für uns endlos vorkommenden Zeit konnte es am nächsten Tag mit der ersten Bohrung losgehen. Es ist schon eine beeindruckend gewaltige Maschinerie, die auf diesem Bohrschiff für eine Tiefbohrung in Gang gesetzt wird. 14 Stunden dauerte es, den Bohrstrang bis auf den 4 km tiefen Meeresboden auszustecken, um dann erst in den Untergrund zu bohren. Der Plan ist, bis auf 1200 m tief in den Untergrund zu bohren. Wenn wir ohne Unterbrechungen einfach durchbohren könnten, würde das ungefähr 10-12 Tage dauern. Aber so einfach wird es nicht werden ….

Der antarktische Eisschild hat im Laufe seiner Geschichte viele verschiedene Sedimente über seine Eisströme und Gletscher vom Festland ins Meer transportiert. Insbesondere während der Kaltzeiten der Erde, in denen sich der Eisschild weit ausgebreitet hat, gelangten die Sedimente erst auf die Kontinentalschelfe und dann weiter über den Schelfhang bis in die Tiefsee. Die Gehäuse abgestorbener Meeresalgen und Einzellern, wie z.B. die von Diatomeen und Foraminiferen, kommen als weitere Sedimente hinzu, insbesondere während der Warmzeiten, in denen diese Lebewesen besonders gute Lebensbedingungen vorfanden.  Dieser Wechsel in den Ablagerungen verschiedener Sedimente ist ein wunderbares Archiv der Klima- und Eisschildgeschichte der Antarktis und kann besonders gut in den Sedimentdriftkörpern nahe des Kontinentalrandes untersucht werden. Sedimentdriftkörper, die hunderte von Metern hoch werden können, bilden sich am Meeresboden vor allem dann, wenn feine Sedimente, die vom Kontinentalhang in die Tiefsee hinabgleiten, durch starke Bodenströmungen umgelagert wurden. Sie bilden eine Art „Düne“, ähnlich den Sanddünen an unseren Küsten, die durch Windtransport gebildet werden. Zusätzlich zu den Daten zur Eisschild- und Klimaentwicklung können Untersuchungen an diesen Driftkörpern helfen, die vorherrschende Richtung und Intensität von Ozeanbodenströmungen der Vergangenheit zu rekonstruieren. Diese stehen wiederum in Relation zur Entwicklung der Eisschilde und ihren Einfluss auf bestimmte Wassermassenbildungen, wie z.B. das Antarktische Tiefenwasser. Insofern hoffen wir, mit dieser ersten Bohrstation die richtige Sedimentdrift ausgesucht zu haben, die uns die Veränderung des westantarktischen Eisschildes in einer Auflösung aufzeigt, die die glazialen und interglazialen Zyklen deutlich voneinander unterscheiden lässt.

Bubba the Toolpusher (so heißt der Mann und sein Job wirklich) erklärt uns die verschiedenen Bohrkronen, die je nach Sediment- bzw. Gesteinsart und Bohrtiefe eingesetzt werden (Foto: Tim Fulton).
Der erste Bohrkern der Expedition ist an Deck (Foto: Tim Fulton).

 

Die Begeisterung ist riesig, als der erste Bohrkern an Deck kam. Jeder Kern sitzt in 9,6 m langen Kunststoffrohren (liners). Er wird von Team der Techniker empfangen und über den sogenannten „Catwalk“ auf Halterungen abgelegt, wo der liner gesäubert und mit dem Kern in kürzere Stücke (sections) geschnitten wird. Die sections kommen dann zuerst in ein Regal zum Temperaturausgleich und werden anschließend mit verschiedenen Methoden untersucht und beprobt. In den nächsten Wochenbriefen erzähle ich mehr dazu, denn die Untersuchungsmethoden sind auf diesem Schiff mit seinen großzügig ausgestatteten Laboren sehr vielfältig.

Eisberge können so wunderschön sein, aber auch eine Pest, wenn man ein Schiff lange Zeit auf einer Position halten muss. Weil es lange dauern kann, bis ein Bohrstrang aus dem Bohrloch gezogen wird, gibt es einen Sicherheitsabstand von mindestens 1 Seemeile (1,85 km) um das Schiff herum, in den möglichst keine Eisberge hineindriften sollten, ohne dass wir mit der Bohrung abbrechen müssen. Der erste Eisberg kündigte sich schon wenige Stunden nach Beginn der ersten Bohrung an. Wir mussten aufhören, das Bohrgestänge bis auf 50 m unter den Meeresboden ziehen und dann abwarten. Falls der Eisberg sich noch weiter nähert, kann das Gestänge vollständig aus dem Bohrloch gezogen werden, und das Schiff bewegt sich langsam mit hängendem Gestänge von der Station weg. In diesem Fall beginnt man mit einem neuen Bohrloch dicht neben dem ersten, spült bis zur Tiefe des ersten durch und setzt dann mit dem Bohren fort. Wir haben heute nach 3 Tagen an der gleichen Bohrstation bis jetzt nur 180 m Bohrtiefe erreicht, weil es aufgrund der Eisberge immer wieder zu Unterbrechungen kommt. Das ist ein Stop-and-Go-Prozess, der uns wohl auf der ganzen Zeit hier im Arbeitsgebiet begleiten wird. Auf der anderen Seite sind die Bohrkerne bisher höchst interessant und scheinen teilweise unerwartete Ergebnisse zu liefern …

 

Mit herzlichen Grüßen

Karsten Gohl

Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI)

 

Offizielle tägliche und wöchentliche operative und wissenschaftliche Berichte der Expedition:

http://iodp.tamu.edu/scienceops/sitesumm.html

Offizielle Webseite mit Medien-Links und Blogs zur Expedition:

http://iodp.tamu.edu/outreach/expeditions/amundsen_sea_ice_sheet_history.html

Author:
N Kurtz
About:
Outreach Manager
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